Wenn ich zu neuen Reitschülern komme oder wenn ich mir ein Pferd bei Behandlungen oder Sattelanproben vorreiten oder vorlongieren lasse, stelle ich fest, dass viele Pferde nicht richtig atmen. Also irgendwie atmen sie schon, sonst würden sie ja tot umfallen, aber sie atmen nicht richtig. Sie atmen nicht ruhig und tief und gleichmäßig, sie atmen nicht so, dass man es sieht oder hört.
Den Atem anhalten oder nur oberflächlich atmen ist nicht gut:
- Es hemmt die Durchblutung
- Es hemmt die Sauerstoffversorgung
- Es hemmt den Energiefluss
- Es bindet Energie – es kann sich keine Energie freisetzen
- Es sorgt für innere Anspannung und Unausgeglichenheit
- Es macht Stress
Das kennen wir Menschen aus eigener Erfahrung nur zu gut. Unseren Pferden geht es nicht anders.
Atem taktet uns. Er sorgt dafür, dass Körper und Geist gut funktionieren können. Der Atem beeinflusst den Stress- und Ruhenerv maßgeblich mit. Unsere gesamte Verfassung hängt vom Atem ab. Auch, wie energiegeladen wir uns fühlen.
Besonders die Energie sollte frei verfügbar sein, vor allem wenn man was leisten soll – was wir ja beim Reiten von unseren Pferden verlangen.
Gründe für nicht richtiges Atmen können sein:
Ein unpassender Sattel
Ein zu enger Sattel engt das Zwerchfell und somit die Atmung ein. Das Zwerchfell ist der größte Atemmuskel. Es befindet sich in einer großen Fläche des Brustraums. Ein unpassender Sattel kann den Brustraum/Brustkorb, indem sich das Zwerchfell befindet, stark einengen oder sogar regelrecht verformen, so dass das Zwerchfell und die Atmungsorgane eingezwängt sind.
Ein falsches oder unregelmäßiges Tempo
Unregelmäßigkeit im Reittempo zieht unregelmäßiges Atmen mit sich – beides ist eine Rhytmusstörung. Vielleicht kennt ihr das vom joggen: Am leichtesten ist es, wenn man ein angenehmes Tempo wählt und das hält. Die Meisten reiten ein zu schnelles Tempo und somit schon hektisch. Oder es ist unregelmäßig: Ein paar Meter wird schnell geritten, ein paar Meter langsam (ich spreche nicht vom zulegen und aufnehmen, also von gewollten Tempounterschieden innerhalb einer Gangart).
Stress durchs Reiten/Longieren
Eine Art von Stress für ein Pferd ist, wenn es nicht versteht was es tun soll. Viele Pferde werden hektisch, wenn sie nicht wissen was man von ihnen will – und Hektik zieht flache und unregelmäßige Atmung mit sich. Das kennen wir von uns auch – wenn wir in Stress oder Panik geraten, sind wir weit weg von tiefem Ein- und Ausatmen, unseren Pferden geht es genauso.
Stress durch Einflüsse von außen
Das Pferd kommt in die Reithalle und da liegen Stangen auf der Bande wo gestern keine lagen. Für viele Pferde ist Veränderung der gewohnten Umgebung ganz kurz mal Stress. Die Pferde glotzen förmlich diese Veränderung an und sind so angespannt, dass eine Nadel abbrechen würde wenn man versuchen würde sie zu pieksen. Und in dem Moment, wo sie wie angewurzelt stehen und die Veränderung anglotzen, atmen sie fast nicht, es bleibt ihnen förmlich die Luft weg.
Funktionelle Störungen in der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule und alle Organe, auch diejenigen die für die Atmung eine Rolle spielen, hängen zusammen. Sie sind über Nervenaustrittspunkte miteinander verbunden. Deshalb hat das freie Bewegungsspiel der Wirbelkörper einen Einfluss auf die Atmung. Wenn sich die einzelnen Wirbelkörper nicht frei bewegen können ist auch keine freie und tiefe Atmung möglich.
Organische Erkrankungen
Erkrankungen der Atemwege (Luftröhre, Bronchien, Lunge, Luftsack) und Herz-/Kreislauferkrankungen sind auch oft ein Faktor den man anschauen muss, wenn ein Pferd nicht richtig atmet. Wenn Organe betroffen sind, sieht man oft schon in der Ruhe, also ohne dass das Pferd sich anstrengt, dass ein Pferd flach oder zu schnell atmet.
Kurioserweise merken Reiter und Pferdebesitzer oft nicht, wenn ihr Pferd „nicht“ (richtig) atmet, sie sind es so gewohnt. Deshalb möchte ich hier sensibilisieren: Horcht mal eurem Pferd zu wenn ihr reitet. Atmet es? Atmet es hörbar, rhythmisch und frei? Atmet es tief und gleichmäßig? Schnaubt es ab?